Der chinesische Autohersteller Nio (deutsch: ein neuer Tag) hat ehrgeizige Ziele. Nichts anderes als den traditionellen Autohandel zu revolutionieren und Hersteller wie VW und Mercedes-Benz mit modernen Konzepten für Elektroautos zu überholen, strebt Nio an.
2014 in China gegründet, expandiert Nio seine Elektro-Modelle ET5, ET7 und EL7 mittlerweile nach Europa. 2022 feierte das Unternehmen mit Gründer und CEO William Li in Berlin den Markteintritt in die EU. Bereits 2021 eröffnete NIO einen seiner Showrooms in Oslo (Norwegen). Die in der Unternehmenssprache „Nio Houses“ genannten Showrooms gleichen eher einem modernen Apple-Store als einem traditionellen Autohaus. Insgesamt 90 gibt es, mit Oslo und Berlin (seit 2022) jetzt auch in Europa. Geplant sind weitere Nio Houses in Hamburg, Frankfurt und München. Seit 2023 gibt es auch ein Nio House in Düsseldorf.
Die in der Unternehmenssprache „Nio Houses“ genannten Showrooms gleichen eher einem modernen Apple-Store als einem traditionellen Autohaus
Erstes Modell in Deutschland ist die Limousine ET7 – anders als im chinesischen Heimatmarkt setzt Nio hier vor allem auf Abo-Modelle als innovative Mobilitätskonzepte. Die Fahrzeuge werden für einen Monatsbeitrag gemietet, Versicherung, Wartung und Mobilitätsgarantie ist im Preis enthalten. Besonders flexibel ist die Option, den Vertrag monatlich zu kündigen.
Während lange Ladezeiten und vergleichsweise geringe Reichweiten als Handicap für Elektroautos gelten, bietet Nio „Battery as a Service“ (BaaS) an. Ladepausen sollen nicht nötig sein, eine leere Batterie der Elektroautos soll in lokalen Swap-Stations binnen fünf Minuten automatisch gewechselt werden. 2024 sollen neue Batterien als Feststoffakkus Reichweiten von spektakulären 1.000 km bieten, schon jetzt kann der ET7 mit einer Ladung zwischen 445 und 580 Kilometer fahren. Ehrgeiz, der Gründer William Li nicht selten den – vom Chinesen ungewollten aber durchaus als Kompliment gemeinten – Vergleich mit Tesla-Chef Elon Musk einbringt.
Drei Modelle hat Nio in Europa im Angebot – jeweils wahlweise zum Kauf oder als modernes Subscription-Modell. Die ET5 und ET7-Limousinen und den markanten EL7.
Für Verwirrung sorgt der EL7 – das Modell ist international Teil der ES-Reihe (ES6, ES8) von SUVs der Chinesen und wird so auch auf den Webseiten des Unternehmens genannt. Nach einer Klage von Audi – ES6 oder ES8 wären vor allem in der Aussprache den S6-, S7- oder S8-Modellen der Ingolstädter zu ähnlich – wurde die Reihe in Europa umbenannt. Der Elektro-SUV tritt 2023 die Konkurrenz zum Tesla Model X, Mercedes EQ-Serie, BMW iX und Audi e-tron Q-Reihe an. Nio will sich dabei mit 12,8 Zoll großem Display in der Mittelkonsole, Heads-up-Display und dem digitalen Fahrzeugassistenten NOMI von der Konkurrenz abheben. Der KI-Assistent wird, anders als Siri, Alexa und die Hersteller-spezifischen Assistenten „phys-gital“ dargestellt: Das virtuelle Smiley-Gesicht des Assistenten zwinkert und blinzelt die Passagiere an, macht auf Zuruf Selfies der Passagiere und meldet automatisch Routenänderungen anhand des üblichen Fahrverhaltens des Nio-Fahrers. So viel Komfort ist nicht günstig: die Basis-Version kostet 73.900 Euro – ohne Batterie. Mit 100 kWh Akku werden dann schon knappe 100.000 Euro fällig. Als Abonnement im Full-Service-Paket kostet der EL7 zwischen 1.300 und 1.500 Euro monatlich. Noch keine Pläne gibt es, die flachere SUV-Variante EC6 auch auf den europäischen Markt zu bringen.
Das Flaggschiff ET7, eine Spitzenklasse-Limousine, schlägt zwischen 1.200 Euro und 1.400 Euro monatlich zu Buche. Markant sind beim ET7 vor allem die Watchtower-Sensoren, die sich in drei großen Beulen über der Frontscheibe verbergen. Zwei hochauflösende 8-MP-Kameras und LiDAR-Reichweitenmesser (Light Detection and Ranging) liefern zusammen mit anderen Sensoren während der Fahrt kontinuierlich Daten an den Adam genannten Computer im Auto. Das System NAD (Nio Autonomous Driving) ist bereits vor regulatorischen Änderungen für ein vollständig autonomes Fahrerlebnis gerüstet. Bis dahin bleibt bei dem Ende 2022 vorgestellten Fahrzeug nur der Komfort umfassender Fahrassistenten (in Nio-Sprache Aquila) – mit den Händen am Steuer. Den Luxus lässt sich Nio mit Preisen zwischen 70.000 und 90.000 Euro bezahlen.
Das günstigere Einstiegmodell in die Nio-Modelle bildet der ET5. Mit 75 oder 100 kwH Akku liefert der ET5 bis zu 580 km WLTP-Reichweite. Dank des stromlinienförmigen, windschnittigen Designs mit gutem cW-Wert (Luftwiderstand) und den markentypischen schmalen Front-Scheinwerfern wirkt selbst der „kleine“ ET sportlich-dynamisch. Mit 360 kW (489 PS) verteilt auf zwei Motoren (Induktionsmotor vorne, Permanent-Magnet-Motor hinten) knackt der Wagen die 100 km/h aus dem Stand nach 4,0 Sekunden und zeigt eindrucksvoll, dass die Marke Nio ihre Wurzeln im Rennsport hat. Schon bei der Produktion wird ET5 auf Nachhaltigkeit geachtet, Textilien im Innenraum sind aus mehr als 100 recycelten PET-Flaschen, saubere Polymer-Werkstoffe aus Mineralien und Pflanzenfasern reduzieren die CO²-Emissionen bei der Herstellung bereits um 30 Prozent. Wie bei seinem großen Bruder kommt der ET5 mit großem 12,8 Zoll großem AMOLED-Display, Aquila Sensoren-Paket mit 33 Sensoren und virtuellem Assistenten NOMI daher. Mit einem Preis unter 50.000 Euro oder 1.000 Euro im Abonnement ein klarer Konkurrent zu Teslas Model 3.
Für die größte Aufmerksamkeit innerhalb der Nio-Modelle sorgte jedoch der limitierte Supersportler EP9 bei seiner Vorstellung 2016. Mit 1000 kW (1360 PS) knackt der Sportwagen Rundenrekorde (6:45,90 Min Nürburgring Nordschleife). Sechs EP9 wurden an Nio-Investoren zum Preis von 1,2 Mio Dollar verkauft. Bereits die Batterien reichen mit 635 kg Gewicht an so manche Kleinwagen. Der EP9 beschleunigt in 2,7 Sekunden von 0 auf 100 km/h, die Spitzengeschwindigkeit liegt bei 313 km/h. Ohne Straßenzulassung ist der EP9 jedoch „nur“ auf den Rennstrecken dieser Welt zuhause. Weitere 10 Modelle des EP9 sollen laut Nio an ultra-reiche Motorsportfans weltweit verkauft werden. Preis: Zwischen 1,2 und 1,4 Mio. Euro.
Eine Geschichte, die so auch aus Hollywood stammen könnte, ihren Ursprung aber in China hat: In einem Büro in einer Garage in Shanghai gründeten William Li, Hsien Tong Cheng und Qin Lihong 2014 den Vorläufer von Nio als eine Kooperation zwischen Autoportal / Magazin BitAuto und dem Motorsportteam NextEV. Auf Deutsch bedeutet der Firmenname Nio „ein neuer Tag“, im chinesischen bedeutet Nio eher das Heranbrechen eines Morgens mit blauem Himmel – „Blue Sky Coming“ ist daher auch das Motto der Firma.
Ganz so romantisch wie die Legende war die Realität jedoch nicht. William Li ist zwar im chinesischen Anhui geboren, besuchte jedoch die angesehene Universität Peking. Li (Li Bin, so der chinesische Name) war Mitgründer der chinesischen Autoplattform Bitauto. Nach dem Börsengang der Firma 2010 verkaufte LI seine Anteile, investierte in zahlreiche Mobilitäts-Startups in China. 2021 schätzt Bloomberg das Vermögen von William Li bereits auf 7 Milliarden US-Dollar.
Die Idee dazu kam Li nach der Geburt seines ersten Kindes, als er sich wegen der hohen Luftverschmutzung Chinas Sorgen um die Gesundheit des Nachwuchses machte
Die Philosophie passt zum Konzept: umweltschonende Elektromobilität, innovative Software- und Batterietechnologie, autonomes Fahren und kreative Ideen, sollen den Elektroautomarkt erst in Asien und dann weltweit revolutionieren. Die Idee dazu kam Li nach der Geburt seines ersten Kindes, als er sich wegen der hohen Luftverschmutzung Chinas Sorgen um die Gesundheit des Nachwuchses machte. Seine Autos sollten also emissionsfrei sein.
2016 debütierte Nio mit dem EP9 und sorgt in der Rennsport-Szene für Furore. Der Super-Sportwagen bricht den Rundenrekord für Elektroautos auf der sagenumwobenen Nordschleife. Die beste Zeit auf dem Nürburgring: nach 6:45,90 Minuten bleibt die Stoppuhr stehen und die 20,83 km lange Nordschleife ist durchfahren. Zwar hält (Stand 2022) ein McLaren P1mittlerweile den aktuellen Rekord, die internationale Fachpresse ist begeistert und die Schlagzeilen gesichert. Der EP9 war eine Fortführung der Rennsportwurzeln der Chinesen, mit Nelson Piquet jr. gewann das damalige Team China Racing, später Next EV, die erste Fahrerweltmeisterschaft in der rein elektrischen Formel E. Im Zuge der Zahlungsschwierigkeiten 2019 trennte sich Nio von dem Team und tritt nur noch als Namenssponsor des Teams Nio 333 Racing auf.
Mit dem elektrischen SUV ES8 präsentiert Nio 2018 sein erstes Serienfahrzeug für den chinesischen Markt. Schon im Jahr zuvor eröffnet der Konzern in Shanghai das erste von mittlerweile mehr als 90 Nio Houses. In einer Mischung aus Showroom, Apple Store und exklusivem Club können sich dort Nio-Besitzer treffen. Die eigenen Nio-Cafés und Bibliotheken sind ebenso Teil der Nio Houses wie Meetingräume und Kinderparadiese.
Teil des Mobilitätskonzepts sind die Swap-Stations des Konzerns, die Nio parallel zur Veröffentlichung des ES8 eröffnet Nio seine erste Power Swap Station in Shenzhen. In den Swap Stations sind aufgeladene Akkus für die Nio-Fahrzeuge vorrätig, per Knopfdruck wird der leere Akku des Wagens vollautomatisch binnen fünf Minuten gegen einen vollen ausgetauscht. Mittlerweile betreibt Nio mehr als 1100 Akku-Wechselstationen, bis 2025 sollen es 4000 sein. Mehr als zwölf Millionen Power Swaps wurden weltweit mittlerweile durchgeführt. In Deutschland gibt es die die erste Power Swap Station in Zusmarshausen an der A8 zwischen München und Stuttgart. Abonnenten können zwei Mal monatlich kostenlos den Akku tauschen, sonst werden 10 Euro plus 0,20 Euro pro kWh fällig. Schon im ersten Jahr verkauften die Chinesen rund 11.000 Fahrzeuge des 7-sitzigen ES8, der kleinere ES6 kam 2019 auf den Markt.
Teure Forschung und Investitionen, dazu Probleme mit einem kostspieligen Rückruf der ausgelieferten ES8. Alle Modelle des SUV, die zwischen April und Oktober 2018 verkauft wurden, mussten überholt und mit neuen Akkus ausgestattet werden – neben einem lädierten Ruf schlugen rund 47 Mio. Euro Kosten in die Bilanz, der Kurs der Aktie stürzte im Oktober 2019 auf 1,50 US-Dollar ab. Nach dem Einstieg der chinesischen Stadt Hefei verlagerte Nio seinen chinesischen Hauptsitz in die Stadt, Investoren gaben rund eine Milliarden Euro zum Bau eines gemeinsamen Industrieparks NeoPark. Mittlerweile (April 2022) hat Nio bereits 200.000 Fahrzeuge dort produziert und ausgeliefert, allein 100.000 davon im Geschäftsjahr 2021. Der Nio Aktienkurs steigt zwischenzeitlich auf über 60 US-Dollar.
2021 eröffnete Nio sein erstes Nio House im norwegischen Oslo. Norwegen, denn die Skandinavier gelten trotz reicher Ölvorkommen als Pioniere der Elektroautos, schon 2020 waren 54 Prozent der verkauften Neuwagen in Norwegen reine Elektrofahrzeuge, dazu kommen 17.000 Ladestationen im Land, 3300 davon Schnellladestationen mit bis zu 300 kW Leistung. Zwei Power Swap Station zum schnellen Batterietausch hat Nio in Oslo und Vestby bereits eröffnet. Den Auftakt machte der ES8 als Sechs- oder Siebensitzer. Besonderer Fokus liegt auf dem Abonnementen-Modell, mittlerweile sind in Norwegen mit dem ET7 und ET5 und EL/ noch drei weitere Autos auf dem Markt.
Nach dem erfolgreichen Auftakt in Norwegen, folgte 2022 der Markteintritt in Dänemark, Schweden, Niederlanden und Deutschland. Bei einem feierlichen Galaevent wurde der erste Nio-Standort in Deutschland in Berlin eröffnet. Zwei Wochen später wurde der erste Nio ET/ ausgeliefert.
Winterräder, Service, Zulassung, Versicherung – alles ist im Rundum-Sorglos-Angebot enthalten
Winterräder, Service, Zulassung, Versicherung – alles ist im Rundum-Sorglos-Angebot enthalten. Auch zwei monatliche Batterie-Wechsel in Nio Power Swap Stations (PSS) sind inklusive, die erste davon in Deutschland ist noch vor der Auslieferung der Fahrzeuge im Oktober an der A8 zwischen München und Stuttgart eröffnet worden. Die zweite PSS hat Nio im bevölkerungsreichten Bundesland Deutschlands eröffnet: am Autobahnkreuz Hilden in der Nähe von Düsseldorf, eine dritte in Berlin. Sowohl der Nio ET7 als auch die anderen beiden Modelle für den europäischen Markt – der Nio ET5 und Nio EL7 werden außerhalb des innovativen Subscription-Modells auch im Direktvertrieb verkauft.
Liefert Nio (Stand 2022) rund 10.000 Fahrzeuge monatlich aus, stehen alle Zeichen auf Wachstum. Der chinesische Konzern investiert in eine Fabrik zum Bau der eigenen Batteriewechselstationen (Power Swap Stations) in Ungarn, bis 2023 sollen 120 Power Swap Stations in Europa in Betrieb sein. Neben dem Design-Zentrum des Konzerns in München betreibt Nio das Berliner Innovationszentrum für autonomes Fahren, digitales Cockpit und Energieforschung.
Eine weitere Revolution auf dem Elektroauto-Markt plant Nio 2024. Dann sollen Fahrzeuge mit Feststoffbatterien auf den Markt erscheinen: Mit 150 kWh großen Akkus und einer Energiedichte von 360 Wattstunden pro Kilogramm soll eine Reichweite von 1000 Kilometern möglich sein. Der Weg, so William Li, soll in die Top 10, „am besten Top 5 der Autohersteller weltweit“ gehen
Hauptsitz: Shanghai, VR China
Vorstandsvorsitzender: William Li
Aktie: Kürzel - Nio - A2N4PB
Was bedeutet Nio?
Nio bedeutet "ein neuer Tag". Auf Chinesisch steht unser Name für den erwarteten blauen Himmel - Blue Sky Coming.
Was sind Nio Houses?
Nio Houses lassen sich am ehesten mit Showrooms anderer Autohersteller vergleichen. Allerdings bieten sie getreu dem Konzernmotto ganz neue Horizonte. Nio-Besitzer finden neben den neuesten Nio-Modellen dort Meetingräume, eine Bibliothek und einen Spielbereich für Kinder. 90 Nio Houses betreibt der Konzern weltweit, das erste europäische wurde 2021 in Oslo eröffnet. 2022 wurde das Nio House in Berlin eingweiht, 2023 eines in Düsseldorf. Weitere sollen in Hamburg, Frankfurt und München folgen.
Wie steht die Nio Aktie?
Nio ist nicht nur als Autobauer interessant, Börsenspekulanten schauen vor allem auf den Kurs der Nio-Aktie. Nach einem Zwischentief 2020, wo die Aktie für unter 1,50 US-Dollar zu kaufen war, explodierte der Kurs auf über 50 US-Dollar. Mittlerweile hat sich die Aktie bei einem Kurs von rund 10 bis 12 US-Dollar stabilisiert.